Bündnis gegen Rechts zieht Demo-Bilanz

Diskussion um Polizei-Einsatz. Zufriedenheit mit der Teilnehmerzahl.

Rangelei mit der Polizei: Nachdem Gegendemonstranten am Samstag den Bahnsteig besetzt hatten, an dem weitere Neonazis ankommen sollten, ließ die Polizei erst den Bahnverkehr stoppen - und drängte die Demonstranten dann vom Bahnhof ab.
GroßbildAndreas Fischer

Rangelei mit der Polizei: Nachdem Gegendemonstranten am Samstag den Bahnsteig besetzt hatten, an dem weitere Neonazis ankommen sollten, ließ die Polizei erst den Bahnverkehr stoppen - und drängte die Demonstranten dann vom Bahnhof ab.

Wuppertal. „Ich habe Angst, wenn ich diese Bilder sehe“. Mit diesem Gefühl stand eine Teilnehmerin des Bündnisses gegen die Neonazis bei der Versammlung in der Alten Feuerwache nicht allein, als das Medienprojekt Wuppertal Filmausschnitte der Vorfälle am vergangenen Samstag zeigte. Wie sei es in der heutigen Zeit möglich, verbotene NS-Kampflieder und -parolen öffentlich zu skandieren, fragten viele der etwa 100 Teilnehmer am Dienstagabend. Jeder demokratisch gesinnte Mensch missbillige ein derartiges Verhalten, hieß es.

Erneut wurden Vorwürfe gegen die Polizei laut. Diese sei unverhältnismäßig hart gegen die oppositionellen Demonstranten vergangenen und habe den Neonazis ihren Aufmarsch ermöglicht. Zufrieden war man in den Reihen der Bündnis-Partner damit, in kurzer Zeit mehr als 5000 Menschen für den Protest mobilisiert zu haben.

Die Moderatoren Melanie Maier und Frank Jäger hoben das große Interesse auch nach der Demo hervor, das angesichts weiterer angekündigter Neonazi-Aufmärsche in Wuppertal auch notwendig sei. Es habe zudem keine koordinierte linke Gewalt gegeben – und die Reizgasangriffe der Polizei seien völlig überzogen gewesen, behaupteten die Teilnehmer in der Feuerwache.

Fragen an das Innenministerium

Demos und Krawalle: Chaos-Samstag in Wuppertal (2:16)

Der Wuppertaler SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Bialas nahm ebenfalls an der Versammlung teil und fragte: „Wie kam es dazu, dass die Demo stattfand, obwohl die Sicherheit nicht gewährleistet war?“ Klaus Lüdemann von den Grünen sieht in der Thematik keine kommunale Angelegenheit, sondern bat darum, die Fragen im Innenministerium zu klären.

Das Bündnis will nun Arbeitsgruppen zu diversen Themen bilden. Geplant ist eine stärkere Vernetzung mit anderen betroffenen Städten in NRW. Gefordert wurde zudem mehr Aufklärung an Schulen sowie eine kurzfristige Koordination zu den Aktivitäten der Neonazis in Vohwinkel zum Schutz der Betroffenen.

 

Nach der Neonazi-Demo und der Gegenveranstaltung am vergangenen Samstag hat die Polizei mehr als 20 Strafverfahren eingeleitet. Den Tatverdächtigen werde unter anderem gefährliche Körperverletzung, Landfriedensbruch, Widerstand und Verstoß gegen das Versammlungsrecht vorgeworfen, hieß es gestern. Laut Polizei gab es im Rahmen der rechtlichen Vorgaben keinen Grund, die Versammlung vorzeitig aufzulösen. Es habe zudem keine Privilegierung der Teilnehmer der Neonazi-Kundgebung gegeben.

 

» Am Dienstag, 8. Februar, wird im Cinemaxx um 19.30 Uhr der komplette Film des Medienprojektes Wuppertal über den Nazi-Aufmarsch in Wuppertal zu sehen sein.

 

Alleingänge in der Kulturpolitik?

 

Grüne und FDP kritisieren OB Jung und Dezernent Nocke.

Die Zukunft des Schauspielhauses ist ungewiss.
GroßbildUwe Schinkel

Die Zukunft des Schauspielhauses ist ungewiss.

 

Wuppertal. Bündnis 90/Die Grünen und die FDP forderten am Donnerstag gemeinsam eine konstruktivere Form des Dialoges im Kulturausschuss. Beide Parteien übten Kritik an „Alleingängen und mangelnder Informationspolitik“ seitens des Kulturdezernenten Matthias Nocke (CDU) und Oberbürgermeister Peter Jung.

Eine kurze Mail ist den Politikern von Grünen und FDP zu wenig

Lediglich eine kurze Nachricht per Mail habe man am Dienstagnachmittag zu den Plänen für eine Kooperation mit dem Theater Hagen erhalten. „Seit neun Monaten wissen wir nicht, wo Herr Nocke hin will und erfahren das meiste erst aus den Medien“, bemängelte Peter Vorsteher, Fraktionsvorsitzender und kulturpolitischer Sprecher der Grünen. Außerdem gebe es in den Kulturausschusssitzungen nur mündliche Berichte. „Darauf kann sich die Politik nicht vorbereiten“, sagte Vorsteher.

Die kulturpolitische Sprecherin der FDP-Ratsfraktion und Aufsichtsratsmitglied der Wuppertaler Bühnen, Ingrid Pfeiffer, ging einen Schritt weiter. „Ich sehe darin Methode, sich die Arbeit zu erleichtern. Mich treibt die Sorge, dass demokratische Gremien gebremst, geblockt und ausgehebelt werden. Ob bei der Stadthalle, der Orchesterfusion, beim Schauspielhaus oder der Kooperation mit Hagen – die Informationen, die wir erhalten, sind sehr dürftig und kommen nur auf Nachfrage.“

Der für den 30. November vorgesehene Kulturausschuss wurde abgesagt, weil kein Bedarf vorhanden sei. Dass Martin Möller (Grüne) als Aufsichtsratsmitglied der Bühnen bei der kürzlich anberaumten Aufsichtsratssitzung nichts von der „Hagener Kooperation“ vernommen habe, befremde ihn sehr. „Dieses Vorgehen ist schädlich für unsere Kulturpolitik“, sagte Möller.

 

Die Kritik von FDP und Grünen wies Kulturdezernent Matthias Nocke (CDU) am Donnerstag zurück. „Natürlich haben Frau Pfeiffer und Herr Vorsteher in einem Punkt Recht: Es gibt viel zu besprechen.“ Allerdings kenne der Kulturausschuss bei allen Themen den Bearbeitungsstand.

 

Geplante Sperrung an der Lante: "Ein Schildbürgerstreich"

 

Beim Ortstermin an der Lante kritisieren Anwohner die geplante Sperrung. Kein Verständnis für die Firma.

Einiges los war beim Ortstermin mit Anwohnern und Vertretern der Firma, der Stadtverwaltung und der Politik.
GroßbildAndreas Fischer

Einiges los war beim Ortstermin mit Anwohnern und Vertretern der Firma, der Stadtverwaltung und der Politik.

 

Hatzfeld. Großaufgebot an der Lante: Die Anwohner, die sich am Montag bei der Ortsbegehung an der Verbindungsstraße zwischen Uellendahler und Hatzfelder Straße eingefunden hatten, äußerten deutlich ihre Bedenken und ihren Unmut zur geplanten Sperrung. Das Unternehmen KöBo-Dhongua beabsichtigt, die Straße für den öffentlichen Verkehr mit Schranken zu sperren. Zum Ortstermin waren auch Bezirks-, Stadt-, Polizei- und Feuerwehrvertreter erschienen.

Angesichts des Beratungsbedarfes innerhalb der Fraktionen werde das Thema nicht am Dienstag in der Sitzung der Bezirksvertetung behandelt, sondern auf Mai verschoben, so der 2. Bezirksbürgermeister Manfred Mankel.

Jochen Bovenkamp, Geschäftsführer bei KöBo-Dhongua, verteidigt die Pläne: „Wir wollen am Standort wachsen und Arbeitsplätze sichern. Ich würde die Straße gerne kaufen, aber die Stadt meint, man solle erst einmal eine Schranke ausprobieren.“ Dadurch werde das Be- und Entladen und damit der Werksverkehr vereinfacht.

Politik will einen Konsens finden

Gisela Schlüter, CDU-Stadtverordnete und Mitglied des Wirtschaftsförderungsaus-schusses, fordert: „Eine Lebensader wie die Lante zu veräußern, ist sehr bedenklich. Daher müssen wir einen Konsens für alle Beteiligten finden.“ Für Ilona Schäfer, Grünen-Bezirksvertreterin, sind aufgrund der Straßenenge zwei Punkte entscheidend: „Sicherung der Schulwegsituation und Rettungswege für die Feuerwehr müssen gewährleistet sein.“

Der Weg von „unten“, also von der Uellendahler Straße her, sei zu steil, bliebe aber für die Anwohner als einziger Zuweg, wenn die Lante wirklich im oberen Bereich gesperrt werden sollte. „Schon meine Vorfahren haben hier gelebt. Warum soll eine Sache, die Jahrzehnte funktioniert hat, nun verändert werden, wenn es nicht das öffentliche Wohl verbessert?“, fragt Anwohner Hans Otto Ewich. Es sei nie etwas passiert, die Sperrung sei überflüssig, sagt Karl Heinz Schott und Gaby Schauerte befürchtet: „Wenn die Schranke einmal steht, bleibt sie auch.“

 

Frank Risse von der Direktion Verkehr erklärt: „Laut Straßenverkehrsordnung ist die Polizei als beratende Behörde in solch einem Sachverhalt zu einer Stellungnahme verpflichtet. Aus polizeilicher Sicht sind in diesem Bereich keine Verkehrsunfälle gemeldet worden. Eine Sperrung durch eine Schranke ist somit nicht zwingend notwendig.“

 

Anwohner und Unternehmer Christoph Hundhausen denkt weiter: „Die Vermutung liegt nahe, dass es um Spekulationen im Bereich Wohnungsbau geht.“ Herbert Fleing sieht die wirtschaftlichen Aspekte durch geplante Investitionen der ansässigen Firma, hat andererseits als Bürgervereinsvorsitzender aber auch Verständnis für die Bürger. Elke Franz bringt es auf den Punkt: „Die Stimmung ist schlecht. Ich bin hier aufgewachsen und halte die Schranke für einen Schildbürgerstreich.“

 

Der Besuch in der Ukraine hinterließ bleibende Eindrücke

 

Schülern des Johannes Rau-Gymnasiums waren in der Ukraine und beschäftigten sich jetzt bei einem Workshop mit dem Thema Zwangsarbeit.

Vivien und Artheja (v.r.) präsentieren die Internetseite zum Projekt der Schüler.
GroßbildUwe Schinkel, Bild 1 von 2

Vivien und Artheja (v.r.) präsentieren die Internetseite zum Projekt der Schüler.

 

Barmen. „Im Dorf wurde erzählt, dass die jungen Mädchen (aus der Ukraine) nach Deutschland geholt werden . . .“, erinnert sich eine der nach Wuppertal deportierten Zwangsarbeiterinnen. Das war im Mai 1942 zur Zeit der Pflaumenblüte und ist nachzulesen im Begleitbuch zur Ausstellung „Riss durchs Leben“. Fast siebzig Jahre später waren 13 Schüler des Ganztagsgymnasiums Johannes Rau eine Woche bei einem Workshop mit der Schule Nr. 10 in Chmelnyzkyj in der Ukraine zu Gast. Obwohl es nur wenige Tage waren, entstanden mit den gleichaltrigen Einheimischen enge Bindungen.

„Der Abschied war sehr traurig und ist uns allen schwer gefallen“, schildert der 20-jährige Artem seine Eindrücke. Mehr als 1000 Kilometer haben sie vor Ort mit Bussen zurückgelegt. Dank einer Übersetzerin konnten im Workshop „Gestern ist heute noch nicht vorbei. Morgen vielleicht – Zwangsarbeit, Menschenwürde, Menschenrecht“ Vorurteile und Schuldfragen thematisiert werden. Spurensuche in Wuppertal sowie Archivmaterial von 147 verlorenen Feldpost-briefen deutscher Soldaten boten genügend Diskussionsstoff. Streifzüge durch die zauberhafte Landschaft und Lagerfeueridylle auf der einen, und ein Besuch bei der ehemaligen Zwangsarbeiterin Dascha Chmysenko hinterließen kontrastreiche Eindrücke bei den engagierten Wuppertalern, die über neun Monate in ihrer Freizeit Kraft und Konzentration für das Projekt aufgewendet haben.

Im Frühjahr 2012 ist der Gegenbesuch in Wuppertal geplant

Ausgangspunkt für das Projekt war im September 2010 ein Besuch der seit der Jahrtausendwende bestehenden Wanderausstellung des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) „Riss durchs Leben“ in Essen, die die Schicksale ukrainischer Zwangsarbeiterinnen, die eng mit Wuppertal verwoben sind, zeigt. Deutsch- und Philosophielehrer Rainer Kokenbrink und Geschichtslehrerin Ulrike Hoffmann trafen gemeinsam mit Bettina Bouresh, Wissenschaftliche Referentin des LVR, in der Ukraine auf starkes Medieninteresse für Ausstellung und Projekt.

Nahezu jede zweite Familie in der Ukraine war von der Zwangsdeportation betroffen war. Allein in Wuppertal gab es mehr als 200 Lagerunterkünfte. Über das Archiv der Landesfrauenklinik in Elberfeld initiierte der LVR im Rahmen der Entschädigungs-zahlungen die Ausstellung und finanziert Projekte dieser Art.

Lisa (17) erinnert sich an eine Begegnung mit einem weißrussischen Zeitzeugen in der Schule: „Der siebzigjährige Mann hat erzählt, wie er mit seinen Eltern nach Wuppertal verschleppt wurde und dabei geweint.“ Manuel (17) war in der Ukraine von der Offenheit und Gastfreundschaft beeindruckt: „Die Distanz zu Beginn hat sich ganz schnell gelegt und es haben sich Freundschaften entwickelt.“ Nachdenklich stimmt Lisa (16), „wie zufrieden die Menschen in der Ukraine mit dem Wenigen sind, das sie haben“. Und Rainer Kokenbrink ergänzt: „Es ist ein einfaches Leben mit Würde und Zufrieden-heit. Hinter den tristen Hausfas-saden verbirgt sich sehr viel Wärme und Offenheit.“

 

Mehr Informationen und Videos zum Projekt gibt es unter sites.google.com/site/
ukraineprojekt2011/

Weiteres Material zur Ausstellung „Riss durchs Leben“ ist ebenfalls im Netz zu finden.

 

In der Ukraine wurde das Thema Zwangsarbeit oft verschwiegen, um die nachfolgenden Generationen vor Stigmatisierung und Ausgrenzung zu schützen. „Die Erwartungen des Projektes, Erinnerungen aufzuarbeiten und eine andere Kultur kennenzulernen, haben sich für alle erfüllt“, stellt Lea fest. Auch Melissa, Angelina, Athea und Vivian sprechen von einer weiteren, vorurteilsfreien Annäherung zwischen Ost und West. Der Gegenbesuch ist bereits geplant. Im Februar 2012 werden 20 junge Menschen aus der Ukraine zu Gast in Wuppertal sein.